In der Corona-Zeit hagelt es Regatta-Absagen, die gesamte Planung für unsere zweite Saison mit Wildcard bricht zusammen – kein Go4Speed-Training im April, kein Palby Fyn Cup im Mai, keine Mittwochsregatten, selbst das 50. Jubiläum der Boddenetappen im August fällt aus. Auch die Stralsunder Segelwoche, bei der wir immer beim Preissegeln und einer der beiden Streckenregatten antreten und 2019 Rund Rügen gewinnen konnten, wird komplett gestrichen.
Da taucht auf einmal Anfang Mai bei Facebook ein Post auf: Vier Stralsunder Segler initiieren in Anlehnung an das mittlerweile berühmte dänische SilverRudder das „RügenRudder“ – keine offizielle Regatta, sondern eine „private Segelrunde“ rund um Rügen, einhand oder zweihand, quasi als Ersatz für das offizielle Rund Rügen der Stralsunder Segelwoche. Start soll zum gleichen Zeitpunkt sein, 12. Juni, 18.00 Uhr südlich des Rügendamms. Die Klasseneinteilung erfolgt ebenfalls wie beim SilverRudder nur nach Bootsgröße, es gibt keine Verrechnung. Super Idee! Eine kurze Anfrage bei Heiko in Rostock – haben wir darauf Lust? Antwort: Klar, das machen wir! Also angemeldet und bei Jan von Dimension Sails in Stralsund die Klassenflagge für’s Achterstag abgeholt – der erste Lacher, es ist eine selbstgenähte Corona-Maske 🙂
Ein paar Tage vor dem Start wird dann klar, das wird kein Zuckerschlecken. Die Windvorhersage ist stabil bei Nordost 5-6 bft, mit der entsprechenden Welle auf der Ostsee. Vor dem Start bauen wir deshalb noch schnell das gute Laminat-Großsegel ab und das uralte, 15-jährige Dacron-Großsegel an – das steht zwar am Wind wie ein nasser, ausgebeulter Lappen, aber es ist unser einziges Groß mit zwei Reffs. Und wir sagen uns, erstmal starten und bis in den Greifswalder Bodden segeln, wenn’s dort zu heftig wird, können wir immer noch nach Greifswald abdrehen.
Pünktlich um 18.00 Uhr geht’s los. Die erste Auflage des RügenRudder ist ein voller Erfolg, es haben 39 Schiffe gemeldet, es ist vom kleinen Spaekhugger bis zur großen Pogo 40 alles dabei. Es geht vom Start weg mit einer kleinen Kreuz um den Deviner Haken und einem Anlieger im Strelasund Richtung Bodden. Hier steht noch keine Welle, wir können gut mit der Genua 3 und dem ungerefften Groß fahren. Dabei erleben wir erstmals die neue Dehler 30od Power Play (Martin Kringel und Wolfram Roehl) in Aktion und staunen, wie schnell die Kleine am Wind ist.
Über den Greifswalder Bodden wird es dann eine volle Kreuz bis zum und durch das Landtief. Wir gehen kurz vorm Palmer Ort in das erste Reff, etwas später auf dem Bodden dann auch ins zweite Reff. Es weht mit konstant 20-21 Knoten, in den Böen auch mehr, und es steht eine wirklich unangenehm kurze, steile Welle. Sich dabei auf dem Boot zu bewegen ist gar nicht so einfach. Dazu kommt, dass quasi nichts zu sehen ist, es ist nieselig-nebelig wie im tiefsten Herbst. Hier kommen jetzt die meisten Absagen, in der WhatsApp-Gruppe des Rennens piept eine Aufgabe-Nachricht nach der Anderen rein.
Etwas vor uns ist die Hanse 400 Asia de Cuba mit Olli und Peter, so gut wie gleichauf mit uns liegen die Pogo 40 Black Pearl und die Saffier 37 Ladyva. Das Landtief erreichen wir erst im Dunkeln, kommen aber mit zwei Schlägen problemlos durch. Allerdings kommen hier, auf der offenen Ostsee, jetzt doch einige größere Roller durch, nur gut, dass man die im Dunkeln bis zum Einschlag nicht wirklich sehen kann. Bis zum Nordperd bei Göhren bleibt es auch eine Kreuz. Danach können wir in Richtung Stubbenkammer etwas abfallen und die Segel öffnen. Die Welle steht allerdings immer noch, als ich einmal nur für ein paar Minuten unter Deck gehe, um mich dicker einzupacken und einen Kaffee zu kochen, merke ich (das erste Mal seit Jahren), dass die Seekrankheit anklopft, wenn ich nicht ganz schnell wieder hoch gehe.
Vor Stubbenkammer lässt der Wind auf einmal deutlich nach, wir sind uns nur nicht ganz sicher, ob das ein Luvstau-Effekt an der Steilküste ist oder eine tatsächliche Windabnahme, daher warten wir noch ein wenig mit dem Ausreffen. Der Wind nimmt aber nur wenig wieder zu, also reffen wir das Groß komplett aus und wenig später kommt statt der Genua 3 auch der Code zum Einsatz. Kein schönes Gefühl, beim Anschlagen des Codes am Bugspriet in der Welle halb über dem Bugkorb zu hängen, wenn auch angeleint. Asia de Cuba ist immer noch knapp eine Meile vor uns, die Pogo 40 ein Ende hinter uns. Wirklich sehen können wir die Schiffe im grauen Dunst nicht, aber über das AIS lässt sich die Situation ganz gut verfolgen.
Ab Kap Arkona, das wir gegen 02:45 Uhr passieren, geht dann auch der Gennaker hoch und wir sausen Richtung Dornbusch auf Hiddensee. Die ungefähr auf halber Strecke nötige Halse verpatze ich allerdings, der Gennaker wickelt sich kunstvoll ums Vorstag. Wir bekommen ihn zwar gut geborgen, aber für ein erneutes Setzen fehlen dann doch schon etwas Kraft und Motivation, daher kommt ab hier wieder der Code zum Einsatz.
Auf Höhe Neuendorf kommen dann von Hiddensee einige ordentliche Böen durch, so dass wir ab hier wieder mit der Genua 3 unterwegs sind. Der Rest der Strecke durch den Gellenstrom und die Vierendehlrinne gestaltet sich dann relativ entspannt, und wir sind am Sonnabend morgen 07:21 Uhr im Ziel vor der Nordmole in Stralsund, nach insgesamt 13 Stunden, 21 Minuten. Wir sind zwar noch etwas auf Asia de Cuba aufgekommen, aber sie erreichen das Ziel verdient 18 Minuten vor uns und gewinnen die „Ausfahrt“, während die Pogo 40 acht Minuten hinter uns auf Platz drei landet.

Wir sind ziemlich platt und erledigt, aber nach dem Zieldurchgang gibt es bei Dimension Sails ein liebevoll zubereitetes Frühstück – DANKE, das ist jetzt genau das Richtige 🙂
Glückwunsch an Olli und Peter auf Asia de Cuba, ihr seid klasse gesegelt (hier ein Bericht von Olli in der YACHT). Und einen großen Dank an die Veranstalter für die super Idee und die Umsetzung, das war ein gelungener Auftakt! Hier die Ergebnisliste.
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